top of page
  • AutorenbildCaro

Reise durch Osteuropa / 1

Aktualisiert: 20. Nov.

Part 1 / Bratislava

Ein osteuropäisches Mallorca


Am Anfang stand ich mit meinen Aquarellfarben und den leeren Blättern am Bahnhof. Ich war etwas verwirrt und mitten im böhmischen Gebirge, in der Nähe von Prag. Die Stadt, die vor mir lag, sah kläglich aus und obwohl ich mich nicht mehr so komplett verloren fühlte, wie noch zu dem Zeitpunkt, an dem ich das Segelschiff verlassen hatte. Dennoch hatte ich keine wirkliche Idee, wie es weiterging. Dieser Anfang prägte auch unsere gesamte Reise, doch ich möchte nicht vorgreifen.


Mein Zug fuhr ein und ich quetschte mich zu den anderen Reisenden in den Waggon, in dem die Luft stand. Ich zwang mich neben meinem Rucksack auf den Boden und dachte über mein Leben nach, bis wir Prag erreichten und es endlich etwas leerer wurde. Die restliche Fahrt nach Bratislava las ich oder hörte den Briten vor mir zu, die ganz begeistert von irgendwelchen deutschen Nüssen waren, die sie im Rossmann gefunden hatten. Am Abend erreichten ich meinen Endbahnhof Bratislava. Der Bahnhof sah traurig aus, doch je weiter ich ins Innere der Stadt lief, desto mehr Farben bekamen die Häuser. Ein paar Besoffene riefen mir etwas auf slowenisch hinterher und ich hatte das Bedürfnis, die ganze Welt stummschalten.


Mein Hostel lag im Hinterhof eines Gebäudekomplexes und obwohl ich ein Frauenzimmer gebucht hatte, musste ich letztlich mit drei Typen in einem Zimmer schlafen, die die ganze Nacht feiern gingen, bevor sie um vier Uhr morgens wieder zurück ins Zimmer stapften.

Mir war die Reizüberflutung meiner eigenen Verlorenheit zusammen mit den ganzen Eindrücken der Stadt schon genug, weswegen ich nicht wirklich darauf aus war, neue Leute kennenzulernen. Also stellte ich nur kurz meinen Rucksack ab und lief dann mit meinen Taschen in die Stadt. Es dämmerte und Schilder der Bars und Clubs glühten bereits grell an den Häuserfassaden. Es erinnerte mich ein wenig an die Partymeilen an der Küste Kroatiens. Je länger ich außerdem durch die Straßen lief, desto mehr stellte ich fest, dass die meisten Leute hier wohl in Wien studierten und Bratislava einfach als Wochenende-Sauf-Ausflug nutzten. Der Alkohol, der hier verkauft wurde, war definitiv billig. An jeder zweiten Ecke schien es Livemusik zu geben, sei es von Straßenmusikern oder Bands, die in den Lokalen spielten. Ich blieb nur manchmal stehen.

Schließlich entfernte ich mich immer mehr aus der Innenstadt und sah mir von der alten Burg den Sonnenuntergang an. Die Donau floss ruhig und wurde immer dunkler. Das Chaos in meinem Kopf schien wieder etwas ruhiger zu werden. Die Nacht war völlig eingebrochen und ich ging zurück zum Marktplatz, auf den ich mich setzte und einige der Gebäude malte.

Nachdem ich wieder im Hostel war, kochte ich mir einen Tee, setzte mich an einen der Tische und hörte ein Hörbuch. Durch die Fenster dran Musik und die lauten Stimmen der anderen Gäste. Schließlich suchte ich mein Zeug zusammen, verschwand in meinem Zimmer und schlief auf meinem Hochbett sofort ein.

Am nächsten Morgen wachte ich vom Schnarchen meiner Zimmernachbarn auf und packte leise meinen Rucksack. Zum Glück konnte ich ihn bis zu meiner Abreise im Gepäckraum einschließen. Ich frühstückte, möglichst schnell, um keinen Smalltalk führen zu müssen, und flüchtete dann in die Stadt, die ohne ihre Partygäste so viel ruhiger war. Nach einem kleinen Spaziergang an der Donau, setzte ich mich zu einem Brunnen und begann wieder zu malen. Immer wieder merkte ich, wie kleine Kinder sich hinter mir versammelten und mir still zusahen, bevor sie weiter spielten. Ein anderer Maler kam zu mir und begann sich mit mir zu unterhalten. Er verkaufte seine Bilder auf einem rollenden Wagen und erzählte mir, dass er eine Weile in Deutschland gelebt und gearbeitet hatte. Immer wieder fragte er mich an welcher Universität ich studierte und erzählte mir dann von seiner Studienzeit in Frankreich. Dann musste er wieder zu seinem Stand, aber winkte mir immer wieder zu. Nach einer Weile setzten sich zwei Straßenmusiker in meine Nähe und begannen zu spielen. Die Welt wurde jedes Mal ruhiger, wenn ich malte. Als ich fertig war, warf ich ihnen ein paar Münzen zu, verabschiedete mich mit einem Lächeln von ihnen und dem Maler und ging dann in die Slowakische Kunstgalerie.

Die ausgestellten Bilder gefielen mir besser als alle Bilder, die ich in meinem Kunstunterricht analysiert hatte. Sie kam mir intensiver und eigener vor. Die ganze Zeit blieb ich die einzige Besucherin im Museum.

Am späten Nachmittag nahm ich dann den Zug nach Wien und fuhr zum Café meiner Freundin. Von Katzen umgeben, las, malte und schrieb ich und fuhr später in ihre Wohnung, da sie eine kranke Taube pflegte und diese Betreuung brauchte. Am Abend kamen dann noch ein Wellensittich und ein Hund dazu. Wir unterhielten uns lange und es tat gut mit jemandem zu sprechen, der mir mehr Ruhe gab, als mich weiter aufzuwirbeln. Ich blieb eine Nacht in Wien, dann musste ich weiter.

  • Instagram
bottom of page