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  • AutorenbildCaro

Reise durch Osteuropa / 2

Aktualisiert: 20. Nov.

Part 2 / Budapest

Stadt der Monumente


Die Regenschwälle, die ich schon in Deutschland erlebt hatte, hatten nun Wien erreicht. Meine Tram war nicht gekommen, niemand konnte mir so recht sagen warum und ich hatte meinen Zug nach Budapest verpasst. Also spazierte ich durch den nassen Morgen in die Innenstadt, bis ich einen Park erreichte, wo ich mich in ein Tempel-Ähnliches-Konstrukt setzte und den Palast vor mir malte. Ich konnte nicht so recht sagen, wo ich war und welches Gebäude ich da malte. Es war eines der zahlreichen Wiener Protzbauten, gleißend hell mit goldenen Verzierungen, die sicherlich schon tausende Maler vor mir festgehalten hatten. Zum Anrühren meiner Aquarellfarben konnte ich das Regenwasser nehmen, dass sich auf den Stufen vor mir sammelte. Ab und an liefen Rentergruppen an mir vorbei, die begeistert die Rosensträucher betrachten.

Schließlich packte ich meine Blätter zusammen, zog meinen Regenmantel an und lief den restlichen Weg zum Bahnhof, wo der nächste Zug nach Budapest bereits eine halbe Stunde Verspätung hatte. Auch diese Waggons waren, wie schon im Zug nach Bratislava, völlig überfüllt. Zudem waren weitere Pfützen auf dem Gang verteilt, von all den nassen Schuhen und Jacken, die hier langsam trockneten.

Ich musste daran denken, wie oft mich viele um die Reisen, die ich machte, beneideten. Sie sahen die prachtvollen Bauwerke, die ich malte, die Bilder auf meinem Instagram Account oder hörten die Geschichten, wo ich überall war. Doch zu achtzig Prozent der Zeit bestanden meine Reisen genau aus solchen Momenten; überfüllten Zügen, die teilweise stundenlang im Nirgendwo stehen bleiben, zwischen murrenden Menschen, die die Luft mit jeden Atemzug noch dicker machten und sich über die Bahn beschwerten, während man selbst zwischen Koffern eingequetscht auf dem Boden kauerte, schwitzte und sich fragte wo man heute Nacht schlafen würde. Gut, vielleicht waren es keine achtzig Prozent, sondern eher fünfzig, doch genau in diesen Augenblicken zweifelte man doch sehr intensiv an seinen Lebensentscheidungen.

Zwei Stunden zu spät erreichten wir schließlich Budapest und das erste, was ich wahrnahm, als ich aus dem Zug stieg, war ein Geiger, der die Melodie von Schindlers Liste spielte. Er saß, etwas gekrümmt, auf einem Koffer, den Kopf leicht zur Seite geneigt und hatte einen Hut vor sich, in dem die Münzen silbern schimmerten. Die Menschenmasse, die aus dem Zug brach, teile sich, als sie an ihm vorbeiging und es war schwer stehen zu bleiben. Also drückte ich mich an einen Pfosten, bis die meisten Leute den Bahnsteig verlassen hatten und hörte eine Weile zu.

Wie auch schon in Bratislava lag dieser Bahnhof eher außerhalb der Stadt, doch so groß wie Budapest war, war es fast unmöglich den ganzen Weg zu laufen. Gerade, als ich mir ein Ticket kaufen wollte, tippte mich eine ältere Dame an, reichte mir mit spitzen Fingern ein Ticket und sagte mir, dass sie es nicht mehr bräuchte. Dann verschwand sie in der Menge, noch bevor ich mich bedanken konnte. Ohne etwas zu bezahlen, war ich nun im Besitz eines 24-Stunden-Tickets und begab mich auf die Suche nach einem Bus. Wie auch schon in Slowenien riefen mir ein paar Männer mir auf einer fremden Sprache etwas hinterher und einer kam zu mir und wollte mit irgendetwas zeigen, ich ging so schnell ich konnte.

Die Bushaltestelle lag an einer stark befahrenen Straße und die Busnummern verwirrten mich zu Beginn sehr. Doch ich schaffte es, ins Innere der Stadt zu gelangen. Als ich dort ausstieg, war es noch schwüler als am Bahnhof. Die Hitze schien zwischen den Häusern hängen und meine Haut fühlte sich immer klebriger an.

Mit einem anderen Bus fuhr ich dann zu dem Viertel, in dem ich mit meinem Kumpel bei unserem Couchsurfing Gastgeber schlafen würde und stieg den Berg bis zur Adresse hinauf. Ich rief Wieland an und er öffnete mir die Tür. Die Frau, die uns beherbergte, hatte uns einen Schlüssel gegeben und wir hatten ein ganzes Zimmer für uns allein. Da sie nicht Zuhause war, entschieden Wieland und ich uns, direkt in die Stadt zu fahren. Wir hatten zwar beide das Bussystem nicht ganz verstanden, doch kamen irgendwie mit unseren Tickets durch und stiegen direkt vor dem Parlament aus.

Es war ein gigantisches Gebäude, gesäumt mit unzähligen Türmchen und umso mehr Fenstern und Verzierungen. Doch es blieb nicht das einzige monumentale Gebäude, fast die ganze Stadt war auf einem solchen Level gebaut; gigantische Paläste und Gebäude, die sich aneinander reihten. Teilweise zwar mit dreckigem oder bröckeligem Putz, doch das machte sie nicht weniger eindrucksvoll. Getrennt wurde die Stadt von der Donau, die milchig blau an den Palästen entlang floss. Je länger wir durch die Stadt liefen, desto erschöpfter waren wir und schließlich fuhren wir zurück.

Am Abend unterhielten wir uns mit unserer Gastgeberin, die uns ein ungarisches Dessert kochte, welches sie Vogelmilch nannte. Es schien aus Milch, Zucker und aufgeschlagenem Ei zu bestehen und fühlte sich an, als würde man eine Wolke löffeln. Normalerweise lebe ich vegan, doch in solchen Situationen scheint es mir netter das Geschenk anzunehmen, was solche Menschen mir machen. Generell ist es manchmal schwierig während des Reisens strikt nach seiner normaler Ernährung zu leben. Währned wir aßen, erzählte sie uns von ihrem Leben und wie es war, in der Sowjetunion aufzuwachen und nun in Budapest zu leben. Als wir an diesem Abend schlafen gingen, kippten wir förmlich ins Bett und schliefen bis in den frühen Mittag hinein.

Über Nacht hatte es geregnet und riesige Pfützen hatten sich auf den Straßen gebildet, auf die wir traten. Es war immer noch warm, doch nicht mehr so schwül wie am Tag zuvor. Wir fuhren mit den Bussen in die Stadt, leckten und kratzen unsere Tickets wieder frei und gingen bis zur Staatsoper. Wie schon alle anderen Gebäude, war auch dieses mit seinen Mosaiken und vergoldeten Leuchten atemberaubend schön. Wir standen auf dem Boden, auf dem auch schon Mahler und Puccini ihre Premieren hatten.

Danach liefen wir zum Nationalen Kunstmuseum, das uns jedoch ein wenig enttäuschte, da es hauptsächlich barocke Bilder ausstellte, die nicht sonderlich außergewöhnlich waren.

Mir wurde irgendwann so schwindlig von der schwülen Luft, dass ich im Museum umkippte und dann die restliche Zeit mit den Museumswächtern verbrachte, die sich sehr lieb um mich kümmerten, auch wenn sie nur ungarisch verstanden. Als Wieland fertig mit seinen Zeichnungen und ich wieder lebensfähig war, gingen wir nach draußen, wo wir von Sprühregen erwartet wurden. Es kühlte uns angenehm ab und wir aßen etwas, bevor wir weiterhin etwas verloren durch die Stadt und schließlich zurück zu unserer Unterkunft liefen.

Eigentlich hatten wir vor nur zwei volle Tage in Budapest zu bleiben, entschieden uns jedoch um und blieben noch einen Tag länger. Wir hatten vor in eine der Thermen von Budapest zu gehen, sie so aussahen wie aus einem antiken Film. Doch wegen der seltsamen Bestimmungen für Frauen und Männer und deren getrennten Badezeiten, verbrachten wir den nächsten Tag damit, die Fassaden der Häuser zu zeichnen und uns die große Markthalle anzusehen. Abend versorgte unsere Gastgeberin uns wieder sehr lieb mit Suppe und wir packten unsere Taschen, um am nächsten Tag früh zu fahren.

Als wir am nächsten Morgen bereits früh an der, von Hitchwiki, empfohlenen Tankstelle warteten, hatten wir unsere Pappen schon geschrieben. Unsere Schilder waren sehr schön. Wie hatten es geschafft, sehr saubere Pappe in einem Papiercontainer zu finden. Das war so eine Sache, wenn man trampte; überall entdeckt man gute Pappe in der Stadt, auch bei normalen Spaziergängen.


Zu unserer Überraschung saßen bei der Tankstelle schon zwei andere Tramper. Wir liefen zu ihnen hinüber und redeten kurz mit den Beiden, die aus Polen kamen und nun zum ersten Mal trampten. Dann gingen wir wieder zurück zu unserer Stelle und mussten lange warten. Die beiden wurden vor uns mitgenommen und wir gönnten es ihnen. Im Gegensatz zu unserer Erwartung schienen die Leute nicht wirklich begeistert von Trampern zu sein. Vielleicht waren sie auch verwirrt, doch wir hatten erwartet, dass es normaler war in Ungar zu trampen. Die Autos, die an uns vorbeifuhren waren groß und schließlich blieb ein Mustang vor uns stehen und ein Antiquiätenhändler, dessen Geschäfte ein wenig suspekt klangen, nahm uns mit. Er nahm mich kaum wahr und sprach eher mit Wieland, dem er begeistert von seiner Waffensammlung erzählte. Er ließ uns bei Györ raus. An der Autobahnraststätte warteten wir über zwei Stunden, bis schließlich zwei Kinder ihre Mutter überredeten, uns einzusammeln und wir mit ihnen direkt nach Wien fuhren.

Als wir dort Abends ankamen, stellten wir fest, dass dies die frustrierende Tramptour war, die wir je gefahren waren. Für eine Strecke, die mit dem Auto nur drei Stunden dauerte, hatten wir mehr als Zehn Stunden gebraucht. In Wien fuhren wir mit der U-Bahn bis zu der WG, in der wir die nächsten Tage blieben.



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